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Standards und Vorgehensmodelle in internationalen Projekten

16.07.2008
Wolfgang Cronenbroeck
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In internationalen Projekten arbeiten in der Regel Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zusammen. Das kann nur funktionieren, wenn alle Beteiligten im übertragenen Sinne die gleiche Sprache sprechen. Hiermit ist nicht nur die Sprache als Mittel der verbalen Kommunikation gemeint, sondern vor allem ein Grundkonsens über die Art und Weise des gemeinsamen Vorgehens bzw. die Durchführung des Projekts.

Zu diesem Zweck wurden diverse Standards entwickelt, an denen man sich orientieren kann.

Standards im Projektmanagement

Die Standardisierungsbemühungen im Projektmanagement sind am weitesten in den grundlegenden Bereichen der Zeit- und Kostenplanung und im Reporting, also der Projektdo-kumentation, gediehen. Aufgrund kultureller Unterschiede gibt es in internationalen Projekten jedoch immer einen Anpassungsbedarf an die individuellen Umstände. Besonders deutlich werden diese Unterschiede, wenn man sich die traditionellen Vorgehensweisen in Projekten in verschiedenen Kulturkreisen ansieht:
 

  • In Ländern, die sehr auf Konsens ausgelegt sind (z.B. Süd-ostasien), wird viel Zeit für die Projektplanung einkalkuliert, woraus sich eine intensive Nutzung des Planungsverfahrens ergibt.
  • Westeuropäische Projektleiter vertrauen sehr stark auf die Kompetenz ihrer Mitarbeiter und sehen sich eher als Coach, während ihre US-amerikanischen Kollegen eine stärker führende Rolle einnehmen und die Realisierungsphase durch straffe Entscheidungsprozesse pushen.


Angesichts dessen gestaltet sich die Einführung eines inter-nationalen Projektmanagementstandards schwierig. Trotzdem braucht jedes internationale Projekt als Grundlage eine Struktur, auf die sich alle Beteiligten verpflichten, um Missverständnisse zu vermeiden und effektiv zusammenarbeiten zu können.

Die gängigsten Quasi-Standards im Projektmanagement
 
Nationale Regelungen  
DIN 69900 bis 69905: Für die Bundesrepublik Deutschland verbindlich sind die vom Deutschen Institut für Normung e.V. (DIN, www.din.de) beschlossenen Normen.

ProjektManager GPM: Die Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. (GPM, www.gpm-ipma.de) als Fach- und Be-rufsverband für Projektmanagement entwickelt Standards für Methoden, Begriffe, Fortbildungen und Zertifizierungen.
 
Internationale Regelungen  
International Competence-Baseline (ICB): Die International Project Management Association (IPMA, www.ipma.ch) gibt mit der ICB die derzeit wichtigste europäische Richtlinie für eine einheitliche Begriffsbildung in den Sprachen Englisch, Deutsch und Französisch heraus.

Project Management Body of Knowledge (PMBOK): Das Project Management Institute (PMI, www.pmi.org) sammelt das praktische Erfahrungswissen von Projektmanagern aus aller Welt, um daraus eine möglichst breite Systematik an Methoden und Prozessen für die Arbeit in Projekten zu erstellen. Der PMBOK orientiert sich von allen Regelwerken am stärksten an der Praxis. Das American National Standards Institute (ANSI) hat PMBOK sogar zum Standard erklärt.

PRojects IN Controlled Environments (PRINCE2™): Diese Regelung wurde von dem britischen Office of Government Commerce (OGC) entwickelt und ist eine Methode zu Organisation, Management und Steuerung von Projekten (www.prince2.org.uk). PRINCE2 enthält verschiedene in der Praxis bewährte Methoden und liefert standardisierte Projekte, die ein einheitliches Vorgehen, einheitliches Vokabular und einheitliche Dokumente haben. Es wird in über 50 Ländern eingesetzt und ist im Vereinigten Königreich de facto Standard.

Diese Aufstellung könnte durch firmen- oder branchenbezogene Standards beliebig erweitert werden.

Vorgehensmodelle im Projektmanagement

Zurzeit ist kein eindeutiger Trend zu einem internationalen Projektstandard zu erkennen. Daher hat der Autor aus praktischer Erfahrung und in Anlehnung an die oben erwähnten Standards einen Leitfaden für die Bearbeitung internationaler Projekte entwickelt, der dem Projektleiter Hilfestellungen und Anregungen geben kann.

Dieses Vorgehensmodell besteht aus drei sich deutlich voneinander unterscheidenden Komponenten, die im Folgenden näher erläutert werden:
 

  • Projektphasenmodelle und -inhalte,
  • Projektmeilensteine,
  • Projektmanagementaktivitäten.
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Abb. 1: Vorgehensmodell für Projekte

Projektphasenmodelle und -inhalte

Projekte sind Ausschnitte aus langfristigen Prozessen und Lebenszyklen von Produkten. Ihr Ziel ist, einen definierten Liefer- und Leistungsumfang in einem gegebenen zeitlichen Rahmen mit festgesetztem Budget zu realisieren. Dies ist der Projektinhalt.

Um diesen Inhalt unter den gegebenen Bedingungen planen zu können, werden Projekte in Phasenmodellen dargestellt. Die einzelnen Phasen synchronisieren den Ablauf und dienen dem systematischen Vorgehen und der Kontrolle des Arbeitsfortschritts. Am Ende einer Phase steht dabei immer eine Entscheidungsstation (Meilenstein), bei der die Ziele und Ergebnisse überprüft, Veränderungen analysiert und das weitere Vorgehen durch das Entscheidungsgremium oder den Auftraggeber bestimmt werden.

Die Palette der Phasenmodelle reicht …
 

  • vom einfachsten dreistufigen Typ (Ideenfindung - Entwicklung - Realisierung)
  • über erweiterte lineare Konzepte (Systemerhebung - Systemanalyse - Systementwurf - Realisierung)
  • bis hin zu zyklischen Konzepten, in denen auch dann schon mit einer nachfolgenden Phase begonnen wird, wenn die vorhergehende noch nicht beendet ist.
     

Wichtig bei der Gestaltung derartiger Modelle ist, dass in jeder Phase Anfangs- und Endtermin, wesentliche Aktivitäten und zu erwartende Ergebnisse definiert sind:
 

Phase Bezeichnung Wesentliche
Aktivitäten
Ergebnisse Start und
Ende
1 Vor­studie Rahmenkonzept
Mengengerüst,
Wertgerüst
Datenerhebung
Auftrag für Soll-
Konzeption
 
2 Organisations-
untersuchung
Kosten-/Nutzen­
schätzung
Ermittelte Schwachstellen
Erhobene Daten zur Präzisierung
der versch. Konzepte
 
3 System-
konzeption
Aufstellung der einzelnen Lösungs­
ansätze
Auswahl des zu
realisierenden Konzepts
 
4 Detailfestlegung Festlegen div. Spezifikationen Auswirkung des System-
konzepts auf Struktur, Mitarbeiter und Prozesse
Freigabe zur endgültigen Realisierung
Bereitstellung der Ressourcen
 
5 Programmierung Umsetzung in die Abwicklung Funktionsfähige Programme  
6 Systemtest Systemtest
Abnahme des Systems
Sichergestellte Benutzerzufriedenheit, Effizienz, Ordnungsmäßigkeit, Sicherheit  
7 Inbetriebnahme Schulung der Beteiligten
Effiziente Einführung
Beendetes Projekt
Abgenommenes System
 

Abb. 2: Beschreibung der Phaseninhalte (Beispiel)


Bereits jetzt kann bei Bedarf auch eine erste Aufwandsschätzung durchgeführt werden (vgl. Abb. 3).
Durch Abwägung des geschätzten Aufwands und der zur Verfügung stehenden Ressourcen können die Meilensteine genauer terminiert werden. Aus allen Detailinformationen lässt sich dann das Vorgehensmodell für das Gesamtprojekt erstellen.

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Abb. 3: Aufwandskurve für das Phasenmodell aus Abb. 2

Projektmeilensteine

Aus einem Phasenmodell kann nun schrittweise ein erster Meilensteinplan entwickelt werden. Hierzu wird an jedes Phasenende ein Meilenstein gesetzt, der grob terminiert wird (vgl. Abb. 4).

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Abb. 4: Meilensteinplan mit terminierten Meilensteinen

Weitere Meilensteine werden für andere wichtige Ereignisse, wie z.B. "Eingang der Baugenehmigung" oder "Lieferung neues Software-Release", auch innerhalb der Phasen definiert. Sie dienen bei der Projektüberwachung und -steuerung als Grundlage für die Meilensteintrendanalyse.

Projektmanagementaktivitäten

Die Hauptaktivitäten im Projektmanagement nach dem Projektvorgehensmodell sind Projektstart, Projektplanung, Projektüberwachung und -steuerung und Projektabschluss. Abb. 5 stellt diesen "roten Faden" im Projekt dar. Eine ausführliche Erläuterung der einzelnen Schritte enthält Teil-B dieses Buches. Zu Beginn jedes Schritts findet sich dort eine Visualisierung des roten Fadens, sodass der Leser sich leicht vor Augen führen kann, in welchem Stadium der Projektbearbeitung er sich gerade befindet.

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Abb. 5: Der "rote Faden" im Projekt

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch " Projektmanagement" von Wolfgang Cronenbroeck, erschienen im Cornelsen Verlag .

Autor und Verlag behalten sich alle Rechte am Artikel vor. © 2007 Cornelsen Verlag